Tests auf Systemprüfständen für beschleunigte Markteinführung
Der zunehmende Wettbewerbsdruck auf dem globalen Markt und eine deutliche Professionalisierung der Branche haben die Anforderungen erhöht: Bei neuen Anlagendesigns wird heute vorausgesetzt, dass bereits die ersten ausgelieferten Anlagen eines Typs zuverlässig laufen. Vor der Finanzierungszusage für Projekte verlangen Investoren den Nachweis umfangreicher Betriebserfahrung. Aus der Sicht der Hersteller stellen somit Neuentwicklungen - selbst Modifikationen bestehender Produkte - ein erhebliches wirtschaftliches Risiko dar. Eine experimentelle Validierung von Prototypen auf Großprüfständen verringert dieses Risiko, beschleunigt die Zertifizierung und macht sie besser planbar.
Der höhere Stromanteil aus regenerativen Quellen in den Verteil- und Übertragungsnetzstrukturen auf unterschiedlichsten Spannungsebenen lässt die Anforderungen an die Netzintegration von Windenergieanlagen als Erzeugungseinheiten (EZE) weiter steigen. Diese finden Ausdruck in Normen und Richtlinien, die bei der zukünftigen Entwicklung berücksichtigt werden müssen. Für Neu- und Weiterentwicklungen sind Anlagenzertifikate zwingend erforderlich. Sie gewährleisten den netzkonformen Betrieb der EZE und garantieren damit den dauerhaften Netzanschluss sowie den Erhalt einer Einspeisevergütung.
Durch effiziente Testmethoden zur beschleunigten Absicherung der elektrischen Eigenschaften von EZE auf Prüfständen unterstützt das Fraunhofer IWES Anlagenhersteller dabei, den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
Status Quo: Feldtests und schwer planbare Markteinführung
Die Prüfung der Netzverträglichkeit zur Zertifizierung der elektrischen Eigenschaften neuer Windenergieanlagen - oder zur Nachzertifizierung bei Änderungen oder Weiterentwicklungen bestehender Anlagentypen - erfolgt heute nahezu ausschließlich mit Hilfe von mobilen Prüfeinrichtungen im Feld. Die gesamte Zertifizierungskampagne umfasst in der Regel einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren; dieser Zeitaufwand ist ein wesentlicher Kostenfaktor der Anlagenentwicklung und bestimmt maßgeblich den Zeitpunkt der Markteinführung. Die Nachfrage nach geeigneten Standorten für die Prototypen-Zertifizierung ist groß, ebenso die Anzahl der zu zertifizierenden Anlagen. Neben einem guten Windangebot muss ein Standort bei zunehmender Anlagengröße auch erhöhte Anforderungen für den Netzanschluss erfüllen. Feldversuche sind praktisch nicht reproduzierbar - es finden keine zwei Tests bei exakt identischen Wind- und Netzverhältnissen statt. Die Ergebnisse können daher nur eingeschränkt zur Absicherung verglichen werden. Außerdem ergeben sich schnell lange Wartezeiten - die Planung der Markteinführung wird dadurch erheblich erschwert.
Der Labor-Vorteil: unterschiedliche Betriebsfälle beliebig oft anfahren
2015 wurde in Deutschland erstmals ein großtechnischer Prüfstand für komplette Gondeln von Windenergieanlagen in Betrieb genommen. Das Dynamic Nacelle Testing Laboratory (DyNaLab) bietet ein realitätsnahes Testumfeld im Multimegawattbereich für aussagefähige Labortests. Mit einer Antriebsleistung von 10 MW und der Einleitung eines nominellen Drehmoments von 8,6 MNm werden einmalige Prüfleistungen zur Prototypen-Validierung angeboten. Durch die Netz- sowie die HiL-Windlastsimulationen können unterschiedliche Belastungsszenarien unter reproduzierbaren Bedingungen erstellt werden und das Verhalten einer WEA bei Szenarien wie Multidips im Netz bei Sturm, Netzkurzschluss bei fehlerhafter Pitchregelung oder Notstopps getestet werden.
Neben der Zertifizierung im Feld bietet das DyNaLab damit die Möglichkeit, bisher langwierige Zertifizierungen stark zu verkürzen, da im DyNaLab unterschiedliche Betriebsfälle beliebig oft angefahren werden können. Auf diese Weise lassen sich zudem die Betriebsführung und die Regelung optimieren sowie Modellvalidierungen durchführen. Die Zuverlässigkeit und die Verfügbarkeit der Anlage können hierdurch gesteigert und gleichzeitig Wartungs- und Reparaturkosten gesenkt werden.